Troils

Kapi Tel 6

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Sechster Abschnitt.

Von der Gemüthsbeschaffenheit und Lebensart der Isländer.

In dem vorigen Abschnitt habe ich von Ankunft der Norweger in Island, imgleichen von ihrer ersten Regimentsverfassung und den Veränderungen geredet, welche solche durch ihre eigne Schuld und den Wechsel der Zeit erlitten hat; und nun will ich auf ihren Character und ihre Lebensart meine Aufmerksamkeit richten.

Eben so wie das Volk, wovon sie abstammten, blos von Krieg, Seeräuberey, Jagd und Ackerbau lebte; so kannten auch unsere Isländische Kolonisten keine andere Ehre, als die durch Stärke des Arms erworben ward; keine andere Uebungen, als solche, welche nur ein gehärteter Körper auszuhalten vermogte.

In den Krieg zu ziehen, zu plündern, zu sengen und zu brennen, und alle Hindernisse, die ihnen solches auszuführen in den Weg kommen konnten, zu überwinden, das war damals der sicherste Schritt zur Unsterblichkeit. Schon ihre Spiele gaben ihnen die beste Gelegenheit, Geschmeidigkeit und Stärke des Körpers zu zeigen. Glimu-list oder die Kunst zu ringen war allgemein, wobey doch in alten Erzählungen bisweilen gesagt wird, dass sich die Helden bisweilen eines Kunststücks bedient haben, das Laufe-Tok hiess, und mit dem, was man bey uns ein Bein unterschlagen nennt, überein kommt. Skylmest oder die Fechtkunst war noch gewöhnlicher, und gieng es dabey sehr scharf her, doch wurden noch nicht alle Regeln beobachtet, deren sich jetzt ein schwächerer Arm im Nothfall zu seinem Vortheil zu bedienen weiss.

Manjafnadur war von der grössten Bedeutung, und man konnte dadurch so viele Ehre erwerben, dass man im ganzen Lande berühmt ward; der Ruhm desjenigen der sich darinn hervorthat, ward sogar in vielen Liedern besungen (*).

(*) So wie noch heut zu Tage in England, Pferde, die beym Wettrennen den Preis davon getragen, Hähne die in vielen Hahnengefechten gesieget, und Leute, die andere im sogenannten Boxing übertroffen haben, in Kupfer gestochen, über alle Maasse gerühmt, und sogar in Versen besungen werden.

Es war dies eine Art Zweykampf, wozu man einen jeden, der für gleich tapfer angesehen werden wollte, ausforderte. Es gieng dabey auf Leib und Leben los; und das war zu den Zeiten kein Wunder, wo es für eine adeliche Kunst angesehen ward, sein Schwert recht scharf machen zu können, wie man an Rigsthulu sieht (**).

(**) Gunl. Ormst. Sag. S. 95.

Die Lage, worinn sie sich in Ansehung der Könige von Norwegen befanden, welche allezeit ein aufmerksames Auge auf sie hatten, und Gelegenheit suchten, sie unter das Joch zu bringen, gab ihnen Anlass, sich auf alle mögliche Art Nachrichten von ihren Nachbarn zu verschaffen. Aus der Ursache unternahmen sie viele Reisen, besonders nach Norwegen, Dänemark, Schweden, England und Schottland. Der Reisende war bey seiner Zurückkunft schuldig, den Hauptleuten von dem Zustand dieser Reiche Bericht abzustatten. Daher kam es, dass so lange diese republikanische Verfassung dauerte, die Geschichte und was zu ihrer Wissenschaft gehört, in grossem Werth gehalten ward, und dass es eine Menge von Sagen oder Erzählungen (*) im Lande gab, die wenn sie nicht alle gleich wichtig sind, doch wenigstens ein Beweis von der Begierde der Nation waren, alles zu wissen.

(*) Gunl. Ormst. Sag. S. 25. Not.

Während dieses Zeitpuncts ward Grönland im Jahr 932 von einem Isländer, der Eyrek Rauda [Eiríkur Þorvaldsson, Eiríkur rauði, d.i. Erik der Rote] (**) hiess, und Amerika im Jahr 1001 von Biörn Herjulfsson [Bjarni Herjólfsson] und Leif Erichsson [Leifur Eiríksson] (†) entdeckt.

(**) Olof Tryggv. Sag. Skallholtische Edit. 2 Theil, S 223.

(†) Ebendas. S. 225. Heimskringla S. 104. 110. imgl. Lagerbrings Swea Rikes Historia, 1 Th. S. 424. Hr. Kanzleyrath Lagerbring hält es für glaublich, dass die Esquimaux von den vormals dahin gekommenen Normännern abstammen. Der Uebersetzer.

Um für ihre mächtige Nachbarn sicher zu seyn, waren sie also genöthiget, sich immer mehr und mehr historische Kenntnisse zu verschaffen; so wie sie sich dagegen zur Beybehaltung und Beschützung der innerlichen Sicherheit, alle Mühe gaben, ihre eigne Gesetze recht kennen und verstehen zu lernen. Und so konnte Island, zu einer Zeit, da Unwissenheit und Nacht über den übrigen Theil von Europa ausgebreitet war, eine Menge Geschichtschreiber und eine gute Anzahl Dichter aufstellen. Man fand dort bey Einführung des Christenthums mehrere Rechtsverständige, als man in Rücksicht auf die Grösse des Landes und die Anzahl der Einwohner hätte vermuthen können (††). Fischerey ward dort etwas getrieben, aber weit mehr legte man sich auf den Ackerbau, ob solcher gleich hernach völlig in Verfall gerathen ist (*).

(††) Gunl. Ormst. Sag. S. 52.

(*) Hanns Finnsen in seinen Briefen von der Möglichkeit des Ackerbaues in Island, Kopenh. 1772. in 8. beweiset das aus einem Document aus den Zeiten des Snorre Sturlesons, S. 64. Siehe auch Landnama B. 21 Cap.

Zwey Stücke sind es doch hauptsächlich, welche sowohl in ihrer Gemüthsart, als in ihren Sitten und ihrer Lebensart eine merkliche Veränderung hervorgebracht haben, nemlich die Annahme der christlichen Religion unter Olof Tryggwason, und der Verlust ihrer Freyheit unter König Harald. Denn indem nun die Religion sie von der einen Seite von ihren Heerzügen und Raubereyen abmahnte; so benahm ihnen der weltliche Arm von der andern Seite die Macht und die Stärke, welche sie vorher zur Ausführung derselben besassen. Seit der Zeit hat man keine weitere Spuren von ihren Heldenthaten, als diejenigen, welche in ihren Sagen aufbewahrt sind, und unsere jetzigen Isländer lieben Fischerey und Viehzucht mehr als den Krieg.

Die Isländer sind wohlgewachsen und von mittelmässiger Statur, allein sie besitzen keine besondere Stärke, so wie man denn auch unter dem weiblichen Geschlecht sehr selten ein hübsches Gesicht antrifft.

Die Mannspersonen haben schon lange die Gewohnheit, Bärte zu tragen, abgelegt, ob man sie gleich in Eggert Olafsens Reise durch Island damit abgezeichnet findet, eine Abbildung, die wohl einen Einwohner von Söndmoer in Norwegen, aber keinesweges einen Isländer vorstellt (*).

(*) Doch muss man hier Ausnahmen machen. Denn die Einwohner von Omund fiorden und einige wenige Geschlechter an der Nordseite von Island tragen noch Bärte, und ist in Fnioskadul ein gewisser Mann mit Namen Benedict wegen seines langen Bartes bekannt. Bey Sneefaelds Jökne [Snæfellsjökull], oder Eisgebirge, geschah es zwischen 1740 und 1750, dass von zwey Brüdern, welche die Erbschaft ihres Vaters theilten, der eine, mit Namen Helge, seinem Bruder vier Reichsthaler vor das Recht, allein einen Bart zu tragen, überliess, welches Recht vordem in der Familie ihrem verstorbenen Vater zugekommen war.

Laster sind bey ihnen würklich weniger allgemein, als an andern Orten, wo Ueberfluss und weichliche Lebensart das Herz verdorben hat.

Von Diebstahl hört man selten, und zur Unzucht sind sie überhaupt auch nicht geneigt, ob man gleich einige Beyspiele von Personen findet, die desfalls mehrmalen sind zur Strafe gezogen worden.

Ob ihre Armuth sie gleich ausser Stand setzt, die Gastfreyheit ihrer Vorfahren in allen Stücken auszuüben; so ist doch die Neigung dazu noch immer bey ihnen vorhanden. Sie geben das Wenige, was in ihrem Vermögen steht, aus gutem Herzen, und Freude und Vergnügen leuchtet ihnen aus den Augen, wenn man damit vorlieb nimmt. Soll es recht gut gemeynt unter ihnen seyn, so geben sie sich, wenn sie zu einander kommen, einen Kuss auf den Mund; den erhält sowohl die Frau, als der Mann, die Tochter als die Mutter; sie sind ungemein dienstfertig und getreu; und ihrer Obrigkeit aufs höchste zugethan (*). In ihrem Gottesdienst (**) sind sie eifrig, aber freylich doch nicht von allem Aberglauben frey. Zu ihrem Geburtsort haben sie eine unbeschreibliche Liebe, und ihnen ist nirgend besser, als an solchem. Daher ist es auch sehr selten, dass sich ein Isländer in Kopenhagen niederlässt, oder bleibt, so vortheilhafte Bedingungen man ihnen auch dort bisweilen anbieten mag (†).

(*) In Island ist, um allem Schleichhandel vorzukommen, fremden Schiffen verboten, in dortige Häfen einzulaufen, und kein Isländer darf sich als Loots gebrauchen lassen, solche herein zu führen. Wir mussten daher bey unserer Ankunft einen Isländer zwingen, an Bord zu bleiben, und uns statt eines Lootsen zu dienen. Ob wir ihn auch gleich durch gute Verwirthung und Geschenke zufrieden stellten; so legte er doch unser Schiff an einen unsichern Ort, bis der Stiftsamtmann selbst Erlaubnis gab, es in einen guten Hafen zu bringen. Als wir uns erkundigten, warum uns der Loots nicht gleich dahin gebracht hätte, erhielten wir zur Antwort, er hätte sich lieber in Stücke hauen lassen, als gegen den Befehl seines Königs handeln wollen. Nach Norden zu sollen die Einwohner des Landes doch hartnäckiger, und nicht so ganz gehorsam seyn.

(**) Kein Isländer fährt über einen Fluss, oder eine andere gefährliche Stelle, ohne vorher den Hut abzunehmen, und Gott um seinen Schutz zu bitten; und er dankt ihm eben so, wenn er glücklich übergekommen ist.

(†) Es scheint fast, als ob die Vorsicht diese Liebe zu dem Stück Erde, wo man gebohren ist, desfalls dem Herzen eingepflanzt habe, um dadurch zu verhindern, dass die Oerter, gegen welche die Natur weniger freygebig als gegen andere gewesen, nicht mögen verlassen werden. Ich glaube wenigstens mit ziemlicher Gewissheit sagen zu können, dass die Liebe zu seinem Geburtsort immer desto grösser ist, je wenige derselbe von der Natur begünstiget wird. Ein Franzos weiss selten oder nie etwas von Heimweh, welches fast alle Schweden fühlen. Einem Schonischen Bauren schmeckt sein Brey an allen Orten gleich gut; allein einem, der in Elfredahl und Särna geboren ist, dünkt sein mit Baumrinde vermischtes Brod in seiner Heimath besser zu schmecken, als noch so gute Speisen im Lande. Der Schweizer wünscht fast allemal nur in seinem Vaterlande zu sterben. Als im letzten Kriege ein Schweizer bey der französischen Armee seinen Landsleuten ein gewisses Lied vorsang, das sie oft in ihrer Heimath gehört hatten, überfiel den grössten Theil derselben das Heimweh; wesfalls der kommandirende General bey harter Strafe verbieten liess, dieses Lied je wieder im Lager zu singen.

Dies wird freylich denjenigen unglaublich vorkommen, die sich keine Glückseligkeit ohne Luxus, Ueberfluss und Wollust gedenken können. Allein ich erinnere mich hiebey der schönen Stelle bei dem Seneca: Ulysses ad Ithacae suae saxa sic properat, quemadmodum Agamemnon ad Mycaenarum nobiles muros, nemo enim patriam amat, quia magna, sed quia sua.

Dagegen kann man ihnen eben keine besondere Indüstrie beylegen; sie arbeiten immer so fort, wie sie es einmal gewohnt sind, ohne dabey auf nöthige Verbesserungen zu denken. Doch mag die Schuld davon wohl bisher mit an der Regierung liegen; welche, da sie die rechte Beschaffenheit das Landes nicht kannte, auch die zum Theil nöthigen Verordnungen und Anstalten nicht getroffen hat.

Im Umgange sind sie nicht munter, aber einfältig und leichtgläubig, mögen auch gerne, wenn es Gelegenheit giebt, wie man zu sagen pflegt, eins zu sich nehmen, welches doch, wie sich ein jeder leicht vorstellen kann, nicht von allen und jeden ohne Ausnahme gilt.

Wenn sie zusammen kommen, vertreiben sie sich die Zeit mehrentheils mit Saugulestur, Vorlesung ihrer Sagen, womit der Hauswirth den Anfang macht, und womit die übrigen, wenn er müde wird, fortfahren. Ein Theil von ihnen weiss diese Sagen auswendig, andere haben sie gedruckt, oder wo es daran fehlt, geschrieben vor sich. Zu diesen Zeitvertreiben gehört auch Rümulestur, da Verse gelesen und bisweilen schlecht genug abgesungen werden. Ausserdem vergnügen sie sich auch bey ihren Zusammenkünften mit Wike-waka [Vikivaki], da sich nemlich eine Manns- und eine Frauens-Person bey der Hand fassen, und eins ums ander Lieder singen, die auf einander passen, wobey das Chor bisweilen mit einstimmt. Ein Fremder findet hieran gleichwohl wenig Vergnügen, denn die Isländer singen überhaupt sehr schlecht ohne Takt und ohne Annehmlichkeit, besonders da sie von den neuern Annehmlichkeiten der Musik nicht die geringste Kenntniss haben (*).

(*) Ich habe in Island zwey musikalische Instrumente gesehen: Laangspil, mit sechs Saiten von Messing, und Fidla, mit zwo Saiten von Pferdehaaren. Beyde wurden mit einem Bogen gestrichen. Ich hörte auch von einem andern Instrument, Symphon, reden; es ist mir aber nicht zu Gesichte gekommen.

Zu ihren Zeitvertreiben gehöret auch Glaeder, da sich einer verkleidet; Ringbrud, eine Art von Pohlnischem Tanz, welcher von zehn bis zwölf Mannspersonen angestellt wird, und wobey die Kunst darin besteht, durch den Ring zu brechen, ohne die Ordnung zu trennen; Glimulist, dessen schon vorher gedacht worden, wo es aufs Ringen ankommt; Hnattleikur, da sie mit Kugeln auf dem Eise spielen; Lystriden, da sie in die Wette reiten, u.s.w.

In Ansehung ihrer Spiele sind sie wegen des Schachspielens bekannt. Vordem spielten sie zwey Arten von Schach, wovon sie das eine Jungfru Schach, (Jungfernschach) und das andere Riddare Schach (Ritterschach) nannte. Sie vergnügen sich auch mit Kotra (Brettspiel) und spielen darinn Forkjering verkehrt, Olofstafl, worinn die Steine ohne Würfel mit verbundenen Augen nach einem alten Liede, was man auswendig wissen muss, gesetzt werden; Ferner Mylna, Färingar-tafl, Goda-tafl. Sie spielen auch Karten, und zwar Alkort, Handkarrer, Truspill Pamphile. Doch spielen sie diese Spiele blos zum Vergnügen, ohne Geld aufs Spiel zu setzen, welches doch vormahls gewöhnlich gewesen seyn muss, weil eins ihrer alten Gesetze darauf eine Strafe setzt.


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